In letzter Zeit erreichen uns vermehrt Anfragen zum Vereinsmodell für Gemeinschaften. Hier ein kurzer Überblick unseres Werdegangs und warum wir uns für diese Organisationsform entschieden haben, die wir nach wie vor für uneingeschränkt empfehlenswert halten.
2010 starteten wir unser „Abenteuer Gemeinschaft“. Als kleine Gemeinschaft von fünf Hausbewohnern hatten wir uns – nach einiger Recherche über die Möglichkeiten GbR, Verein, Genossenschaft und Mietshäuser-Syndikat – für den Verein als passende Rechtsform entschieden.
Der Verein muss beim Registergericht eingetragen sein, nur dann ist er eine juristische Person und kann Immobilienbesitz erwerben. Nötig für die Gründung sind sieben Personen, die jedoch nicht alle in der Immobilie wohnen müssen. Bei uns fungieren die „Externen“ als unterstützende Begleiter (wir nennen sie gern „unser Aufsichtsrat“), ihre Außenwahrnehmung bei der jährlichen Vereinssitzung ist für uns immer willkommen und manchmal ein wertvolles Korrektiv.
Diese Organisationsstruktur hat sich bis heute bewährt, denn sie bietet verschiedene Vorteile:
Gegenüber der Genossenschaft ist der Verein gerade für kleinere Gruppen geeignet, da mit weniger organisatorischem und finanziellem Aufwand belastet. Auf der jährlichen Vereinssitzung wird die Bilanz fürs Vorjahr (Finanzen, Bauarbeiten/Investitionen u.a.) vorgestellt und werden ggf. Amtsinhaber (Vorstand, Kassenprüfer) gewählt. Wie praktische Entscheidungen im Alltag getroffen werden, ist Sache der Übereinkunft der Mitglieder, was auch in der Satzung festgelegt werden kann. Wo die Satzung nichts Abweichendes festlegt, gelten die Bestimmungen im Vereinsrecht des BGB.
Gegenüber der GbR ist ein Wechsel von Bewohnern einfacher, da es keinen im Grundbuch niedergelegten Privatbesitz an der Immobilie gibt. Im Grundbuch ist allein der Verein eingetragen, die Zusammensetzung der Bewohner ist davon unberührt. Dadurch, dass es keinen privaten Immobilienbesitz gibt, ist es auch möglich, dass Bezieher von Sozialleistungen hier wohnen können, ohne „ihren Anteil“ für den Lebensunterhalt veräußern zu müssen. Das Leben in einer Vereinsimmobilie ist ein normales Mietverhältnis, mit dem Unterschied, dass man sich untereinander auf die Konditionen einigt – im Rahmen der finanziellen Verpflichtungen und des Investitionsbedarfs.
Das Mietshäuser Syndikat ist eine Möglichkeit mit einer übergeordneten Organisation nach dem Solidarprinzip ein Gemeinschaftsprojekt zu stemmen, wenn nicht viel Eigenkapital zur Verfügung steht. Da wir gemeinsam etwa 50% des benötigten Geldes aufbringen konnten, war diese Organisationsform für uns nicht notwendig. Diejenigen von uns, die etwas einbringen konnten, gaben dem Verein ein zinsloses Privatdarlehen. In der Vereinssatzung legten wir fest, dass eine Rückzahlung erst nach Tilgung des Bankdarlehens erfolgen kann, um das Projekt nicht zu gefährden.
Das weitere benötigte Geld für Hauskauf und Erstrenovierung erhielten wir dann unkompliziert von der GLS-Bank, die viel Erfahrung bei der Unterstützung von Gemeinschaftsprojekten mitbringt. (Für uns war kurz nach der letzten Finanzkrise auch wichtig, eine Bank als Partner zu haben, die uns garantiert, dass uns das Haus ggf. nicht unterm Hintern an andere Finanzinstitutionen wegverkauft werden kann.)
Bei der Gründung des Vereins stand die Frage im Raum, ob wir einen gemeinnützigen Status anstreben sollten. Wir entschieden uns dagegen, da die Aussicht auf Spendenfluten eher gering war gegenüber dem zusätzlichen bürokratischen Aufwand und der ideelle Verein (ohne Gewinnerzielungsabsicht) ohnehin steuerbefreit ist.
Auf die Nachfrage beim Finanzamt nach unserer Steuerpflicht schickte uns der Mitarbeiter der Behörde 22 Blatt Kopien zur „Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG“ (Körperschaftssteuergesetz) zu. Demnach wurde die Steuerbefreiung für Vermietungsgenossenschaften und -vereine 1990 auch für nicht gemeinnützige Vermietungsorganisationen eingeführt. Es gelten dabei bestimmte Voraussetzungen. So müssen alle Bewohner/Mieter der Immobilie Vereinsmitglieder sein und man darf nur in begrenztem Umfang Rücklagen bilden. Grundsteuern muss der Verein natürlich wie jeder andere Immobilienbesitzer entrichten.
Der Vermietungsverein unterliegt der Buchführungspflicht und ist damit gegenüber seinen Mitgliedern rechenschaftspflichtig. Es genügt dabei eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Mit einem selbstprogrammierten Tool haben wir diese Erfassungsarbeit für uns recht komfortabel gestaltet, so dass monatlich kaum mehr als eine Viertelstunde dafür aufgewendet werden muss. Alle dazugehörigen Belege werden übersichtlich abgeheftet und einmal jährlich vom Kassenprüfer einer kritischen Durchsicht unterzogen.
Soweit ein kurzer Einblick in die Grundzüge der Vereinsorganisation für eine Hausgemeinschaft. Für die Ausarbeitung der eigenen Satzung ist es unerlässlich, auch einen Juristen heranzuziehen, damit hier keine Schnitzer passieren, die einem später mal vor die Füße fallen können.
Unsere Gemeinschaftsimmobilie ist für uns ein langfristiges soziales Projekt, das wir über die Satzung dem Spekulationsmarkt entzogen haben – sie ist unverkäuflich und steht den Menschen zur Nutzung und Pflege zur Verfügung, die hier leben. Wir können hier – in gegenseitiger Absprache – frei walten und gestalten und sehen uns in diesem alten Haus gleichzeitig als temporäre Nutznießer in einer hoffentlich noch lange währenden Zeit eines kreativen und synergetischen Miteinanders. Wir genießen, was bisherige Bewohner und Besitzer hier investiert haben, schaffen selbst neue Lebensqualität und halten das Nest warm für die Bewohner, die nach uns kommen.
Wir halten dieses Wohn- und Lebensmodell gerade für das (Wend-)Land mit seinen großen Gehöften und damit einhergehenden Möglichkeiten für ideal und ermutigen andere, diesen Schritt zu wagen. Wer sich dazu näher mit uns austauschen will, darf uns gerne kontaktieren: